Ann Cathrin’s Digital Digest — Issue #91

Ann Cathrin Riedel
8 min readFeb 6, 2022

Ich würde gerne ohne Corona hier beginnen. Aber man erlebt ja so wenig bei vierstelligen Inzidenzen. Die Events sind alle wieder online, Cafés und Restaurants besuche sich deutlich, deutlich seltener als sonst und auch ansonsten ist alles gerade wenig aufregend. Die Sonne geht erst nach 17 Uhr unter! Das ist für mich ein nicht ganz so kleiner Hoffnungsschimmer auf das Frühjahr und wieder bessere Zeiten (was sehne ich mich nach Wein, draußen in Weinbars mit Freund:innen!).

Die Digitalpolitik bleibt da ein bisschen aufregender. Aufregend, zum Glück — nicht nervenaufreibend wie sonst meist. Vorletzte Woche durfte ich auf zwei Panels diskutieren. Einmal intern beim Cyber Innovation Hub der Bundeswehr zu Datenschutz und Innovation, u.a. mit dem Bundesdatenschutzbeauftragen Ulrich Kelber. Und zwei Tage später u.a. mit dem CIO des Bundes, Markus Richter, bei der Datenschutzkonferenz am Europäischen Datenschutztag. Und dann waren bei mir die Tagesthemen, um über Telegram zu sprechen — da gehts ja endlich voran (mehr dazu in der Linksammlung unten). Aber ich hoffe und wünsche mir weiterhin, dass wir hier in Deutschland mal mehr über den europäischen Digital Services Act sprechen. Kommt hoffentlich noch.

Bei der Datenschutzkonferenz habe ich übrigens darüber gesprochen, dass meine Generation und alle jüngeren keinen Drucker mehr haben — dass wir auch daher dringend die digitalen Identitäten brauchen. Ich bin da eine Ausnahme, ich habe einen Drucker. Andere Leser dieses Newsletters verfügen sogar über noch besseres Equipment und ich liebe es!

Habt eine schöne Woche

Ann Cathrin 🙇🏽‍♀️

WHAT TO KNOW

Wer mich ein bisschen verfolgt, der weiß, dass ich ein großer Fan einer Überwachungsgesamtrechnung und ihrer Installation bin. Die neue Bundesregierung möchte das jetzt endlich angehen, die Friedrich-Naumann-Stiftung hat bereits voriges Jahr erste Studien und Analysen zum Thema beim Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht beauftragt. Unter der Redaktion meiner Kollegin Teresa Widlok ist jetzt ein Modellkonzept für ein solches Überwachungsbarometer erstellt worden. Die Daten, die für das Modellkonzept bereits ausgewertet wurden, zeigen, dass es enorme Auswüchse an Überwachung gibt.

Staatliche Überwachung: Datenzugriffe — Kontoabfragen zuletzt „fast exponentiell“ gestiegenwww.handelsblatt.com

Überwachung galore in China. Durch die Corona-Pandemie ist es hier nochmal schlimmer geworden als eh schon. Durch Chinas “No-Covid-Strategie” werden bei einem Ausbruch weiterhin ganze Städte abgeschottet. Die dortigen Lockdowns sind nichts im Vergleich zu unseren. Dass die Quarantäne eingehalten werden, wird natürlich auch überwacht. Zum Beispiel durch Sensoren, die überwachen, ob Türen geöffnet werden. Oder durch den Stromverbrauch in der Wohnung. Aber insbesondere das chinesische Gesundheitszertifikat sammelt und übermittelt massenhaft Daten an die Behörden. Zusätzlich springt es immer mal wieder überraschenderweise auf Gelb oder Rot — gerade dann, wenn eher unbequeme Leute reisen wollen. Damit dürfen sie dann keine Gebäude und Transportmittel mehr betreten.

China’s Covid-Era Controls May Outlast the Coronavirus — The New York Timeswww.nytimes.com

Jetzt hat auch Spotify ein erstes großes Content-Moderations bzw. Covid-Falschinformationsproblem. Nicht, dass da nicht auch schon länger Falsch- und Desinformation herumschwirren. Aber nun hat einer der reichweitenstärksten Podcast mehrfach Falschinformationen zu Corona verbreitet. Der Sänger Neil Young findet das (zu Recht) gar nicht witzig und hat daher Spotify gesagt, dass sie entweder ihn oder Joe Rogan haben können — was dazu führte, dass Young all seine Musik von der Plattform herunternahm. Spotify sagt, dass sie eine Plattform seien wie jede andere und nichts für die Inhalte könnten. Gleichwohl beschlossen sie, weiterführende Informationen zu Corona von offiziellen Stellen zur Verfügung zu stellen und darauf zu verweisen — die anderen großen Plattformen machen es ja auch so. Doch Spotify ist hier nicht einfach nur Betreiberin einer Plattform. Spotify hat Rogan 100 US-Dollar für die Exklusivrechte an seinem Podcast bezahlt. Im Gegensatz zu anderen Plattformen, die berechtigterweise wegen dort verbreiteten Falsch- und Desinformationen in die Kritik geraten sind, verdient Spotify hauptsächlich Geld über ein Abo-Modell — nicht über Werbung.

Rogan hat sich mittlerweile entschuldigt. Problematisch wäre es für Spotify geworden, wenn Sängerinnen wie Taylor Swift ihre Lieder von der Plattform hätten nehmen lassen. Wir werden sehen, was da noch kommt. Wie der Artikel richtig sagt: “Spotify may think it’s gotten past the worst of the Rogan backlash. But we know from recent history that what looks like the end of a content moderation controversy is often just the warm-up act.”

Spotify’s Joe Rogan Problem Isn’t Going Away — The New York Timeswww.nytimes.com

Seit November oder Dezember spiele ich mein erstes Mobile-Game. Die Sims (don’t @ me). Ich bin etwas irritiert davon, wie krass viele Dark-Patterns und Mechanismen aus dem Online-Glücksspiel dabei sind. So Mobile-Games sind meist kostenlos — bezahlen muss man dann für sehr viele Extras. Und das wird sehr viel teurer als der einmalige Kauf eines Spiels. Sehr, sehr viele Menschen spielen Games. Sei es auf dem Smartphone, Computer oder einer Konsole. Der Markt ist gigantisch groß — und korrigiert mich gern, aber ich glaube, den meisten ist die enorme Größe dieser Branche, inklusive eSports überhaupt nicht bewusst. Weder von der Innovationskraft her, noch von der reinen wirtschaftlichen Bedeutung. (Ich mache das auch daran fest, dass so wenig Regulation auf Games abzielt. Sei es diese Dark Patterns oder Hate Speech.) Die bekannten großen Tech-Konzerne wollen nun in der Gaming-Branche mitmischen. Microsoft will 70 Milliarden Dollar für den Spielehersteller Activision Blizzard bezahlen. Der Grund? Die Gamingindustrie ist Vorreiter rbei neuen Technologien — zum Beispiel Virtual Reality und es ist ihr natürlich immanent, schöne virtuelle Welten zu bauen und zu gestalten. Das brauchen diese Tech-Konzerne — unter anderem Facebook –, wenn sie ihre Pläne vom Metaverse weiter voranbringen wollen. Schließlich sollen wir in dieser virtuellen Umgebung künftig sehr viel Zeit verbringen. Lesenswertes Interview mit Felix Falk vom Game Verband.

Boom der Gaming-Branche: „Amazon, Google oder Facebook wollen jetzt mitmischen“www.wiwo.de

Standardisierung ist eher ein unsexy Thema. Dabei macht sie uns das Leben jeden Tag leicht — ohne, dass wir es bemerken. Wir Deutschen waren (und sind noch) richtig gut, was das Setzen von Standards angeht. Doch das ändert sich. Die Standardisierung von Technologie wird Teil der geopolitischen Strategie. Nicht nur von China, die eine Strategie zur Standardsetzung bei Technologie entwickelt haben, sondern auch von den USA. Und Europa steigt jetzt ebenfalls ein — vergangene Woche hat die Europäische Kommission ihres Plans zur strategischen Standardsetzung vorgestellt. Standards wurden in Europa nie von Staaten vorgegeben. Die stellten eher einen Rahmen, damit in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft Standards entwickelt werden können. Doch dieses Engagement in den Gremien kostet Geld — schließlich könnten die Ingenieurinnen stattdessen auch was anderes tun. Das passiert dort nämlich im Ehrenamt (also bezahlt durchs Gehalt der Firma, die entsendet). Ich finde, dem Thema wird viel zu wenig Beachtung geschenkt — obwohl es so sehr von Bedeutung ist. Technologie ist und war nämlich — wie Tim Rühlig gleich zu Beginn seines Textes schreibt — nie apolitisch.

The Rise of Tech Standards Foreign Policy | DGAPdgap.org

Auch das wird niemanden überraschen, der schön länger hier mitliest: Gesichtserkennung durch den Staat finde ich äußerst problematisch. Nein, er sollte sie eigentlich gar nicht anwenden. Zu anfällig für Fehler — gerade bei nicht-weißen männlichen Menschen. Zu groß — gerade dadurch — das Risiko, dass eh schon ökonomisch schwächere und marginalisierte Menschen erhebliche Nachteile durch diese Technologie erfahren. Die US-Steuerbehörde setzt nun Gesichtserkennungssoftware ein — von einem Unternehmen, dass sich offensichtlich nicht ausreichend mit den Risiken ihrer Software auseinandergesetzt hat –, um Zugang zu den eigenen Steuerbescheiden u.a. zu bekommen.

The IRS Should Stop Using Facial Recognition — The Atlanticwww.theatlantic.com

WHAT TO HEAR

She Likes Tech — der Podcast über Technologie · Instagram und Magersucht — Unfollow mit Carla Hustedt (4/4) · ARD Audiothek

www.ardaudiothek.de

Jeder um mich herum macht jeden Tag Sport und isst gesund — dieses Gefühl hatte die damals Anfang 20-jährige Tabea Ernst, als sie noch als Moderedakteurin war. Auf Instagram folgte sie fast ausschließlich Models und geriet in eine schwere Essstörung hinein. Erst ein Moment der Todesangst und ein monatelanger Klinikaufenthalt, brachten sie dazu, die Krankheit hinter sich zu lassen. Instagram räumte sie danach völlig auf, bis heute nutzt sie das Netzwerk vor allem für Body Positivity. Doch nicht nur die Nutzer:innen müssten lernen das Netzwerk “richtig” zu nutzen, auch Instagram könne deutlich mehr tun, um seine negativen Effekte einzudämmen, sagt Carla Hustedt. Sie beschäftigt sich bei der Mercator Stiftung mit “guten Algorithmen”.

WHAT TO WATCH

Die neue Welt des Xi Jinping — Die ganze Doku | ARTEwww.arte.tv
Drei Jahre nachdem “Die Welt des Xi Jinping” (2018) mit großem Erfolg ausgestrahlt wurde, werfen die Regisseurin Sophie Lepault und ihr Co-Autor Romain Franklin erneut einen Blick auf China. Mehr als ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Wuhan tut der chinesische Staatschef alles, damit China als großer Gewinner aus der Corona-Krise hervorgeht …

WHAT TO READ

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